Die kleine Terz
Folgende Autoren schreiben der kleinen Terz folgende Qualitäten zu:
Bindel: Anruf mit Liebe und Zärtlichkeit, Erwachen des sinnlichen Wahrnehmungsprozesses
Chase: Tragödie, Traurigkeit
Gardner: Dissonanz, sich erheben, Kuckucksruf, Kinderreime
Goodchild: Licht durch die Tür hindurchkommen lassen, Licht empfangen
Kirnberger: steigend: traurig, wehmütig, klagend, schmachtend; fallend: klagend, zärtlich, schmeichelnd, gelassen, mäßig vergnügt
Knauss: Entfaltung der Seelenkräfte, Persönlichkeit, Welt der Empfindungen, leidend, intime Gefühle, Blutsystem, übergroße Sensibilität, Gemüt, tief erlebte Gefühle, ernst, kummervoll, sorgenvoll, dunkle Schwere, introvertiert
Krüger: Mutter-Terz, Kinder-Terz, siehe bei Fazit zur kleinen Terz
Lemacher: beengt, dunkler, Bestimmung des Tongeschlechts
Maman: Dramen von Liebe und Verlust, Psychodrama des täglichen Lebens
Rudhyar: Niedersteigen auf die Ebene des Körperlichen
Ruland: materialistisch, individuelles, ich-haftes Erleben, Erstreben und Erleiden, man ist ganz man selbst, Individuation, seelischer Innenraum, leibgebundenes Seelenleben, mit den Füßen auf die Erde kommen, in das Erleben der Erdenschwere kommen, leidenschaftlich gegen die Schwere kämpfen, schmerzlich leiden, sich hingeben, Wehmut
Schilling: mild, weich, mehr oder minder heftige Bewegung
Steiner: physisches Selbst, inneres Selbst, innere Bewegung
Wakefield: Stille, Ruhe
Fazit: Wilfried Krüger hat die sogenannte Mutter-Terz identifiziert. Mütter rufen ihre Kinder häufig mit Namen („Ha-ans“ oder „Pau-la“) in einer fallenden, kleinen Terz in der Tonhöhe von f – d. Die dazugehörigen astrologischen Prinzipien wären Jungfrau (f) und Zwilling (d), was an sich schon einmal gut zu einem Zuruf und dem Aufbau von Kommunikation dienen kann. Gleichzeitig ist der Beginn bei der Jungfrau immer von der Sorge um den Nachwuchs gekennzeichnet, also einem Aufpassen und Wahrnehmen, wie es dem Jungfrau-Prinzip ja auch par excellence entspricht, so dass die Bezeichnung Mutter-Terz recht passend scheint.
Auch kennen wir den Ruf der Mutter: „Pau – la, Es – sen – ist – fer – tig“, meist mit den Tönen f – d – f – f – f – d – d gerufen – also zwei absteigenden Terzen.
Aber auch Kinder- und Abzählreime arbeiten oft mit dieser Terz, z.B. Zurufe von Kindern in der Art wie „Hei – ke ! Was denn ? Schau mal aus dem Fen – ster!“ sind nicht selten selbst in der gesprochenen und nicht gesungenen Sprache z.B. in der Tonhöhe von f – d – f – d – f – f – f – f – d. Solche Sprechverse dienen der Kommunikation, die von altersher unter dem Signum des Merkurs steht und stand. Merkur wiederum ist der Herrscher der Tierkreiszeichen Zwillinge und Jungfrau, die exakt den beiden Tönen d und f zugeordnet werden. Auch in Sprechchören ist der Tonschritt f – d das am häufigsten benutzte Intervall.
Rufen Mütter ihre Kinder in der absteigenden Mutterterz von f'-d', so wurde beobachtet, dass Kinder ihre Mütter mit der absteigenden Kleinterz c''-a' rufen, der sogenannten Kinder-Terz.1 Krüger schreibt dazu: „In Trier-Zewen gibt es den Brauch, dass Kinder am Karfreitag die Gebetsstunden ausrufen, weil an diesem Tage die Kirchenglocken schweigen. Die Kinder gehen in kleinen Gruppen durch die Straßen, benutzen eine Ratsche (Karfreitagsrassel), um auf sich aufmerksam zu machen, und rufen z.B. um 12 Uhr:
„Das ist die Mit-tags-Stun-de!“ in den folgenden Tönen meistens:
c''– c''–c'' – c'' – a' – a' – a'. Aus der wissenschaftlichen Volksliedkunde sind viele Kinderlieder in der fallenden Klein-Terz c'' – a' bekannt.“
Der Ton c symbolisiert das Widder- oder Mars-Prinzip, während a den Steinbock oder Saturn darstellt. Kinder haben oft von ihrem Wesen eine marsische Natur, oft auch rote Auren, denn sie beginnen die Welt erst zu erobern und zu entdecken, was dem reviererobernden Prinzip des Mars entspricht. Saturn dagegen ist eher die Autoritätsperson, der Erwachsene, der erfahrene Mensch, ja, auch eben die Eltern oder die Autoritätspersonen für die Kinder. Insofern ist die absteigende Kinder-Terz eine Verbindung von Jung und Alt, von Hilfsbedürftigem und Hilfegebenden, von Kind und Erwachsenen. Zugleich hat die Kombination von Widder- und Steinbockprinzip stets etwas Alarmierendes, denn Mars/Saturn ist auch der Notfall, der Druck, die außergewöhnliche Stress-Situation, der Hilfeschrei, so dass gerade diese beiden Töne garantieren, dass die Mutter oder der Vater aufgeschreckt sind und nicht weghören oder den Ruf des Kindes überhören können, sondern zumindest aufgrund des Tonfalls und der gewählten Töne tatsächlich aufmerksam werden müssen.
Grundlegend scheint also eine absteigende kleine Terz immer eine Kontaktaufnahme oder eine zwillingshafte Kommunikation zu bedeuten. Betrachten wir das von der abstrakten Ebene der Häuser im Zwölfkreis, so gibt es bei der fallenden kleinen Terz immer eine Verbindung von Aszendent und 10. Haus. Das 10. Haus bzw. Saturn und der damit assoziierte Gott Janus hat auch die Signatur des Türöffners. Wenn die Tür geöffnet wird, so kann auch durch diesen Aufruf ein Kontakt hergestellt werden. Saturn wird aber auch mit Eigenschaften und Themen verbunden sein wie Beengung, ernst, klagend, kummervoll, traurig, sorgenvoll, dunkle Schwere, Verlust, tragisch, die ebenfalls durch die absteigende kleine Terz ausgedrückt werden können. Auch das Niedersteigen auf die Ebene des Körperlichen und das Erleben der Erdenschwere und Themen wie Stille und Ruhe dürften im Zusammenhang mit der Saturn-Signatur und der kleinen Terz stehen.
Betrachten wir hingegen die aufsteigende kleine Terz (Aszendent – 4. Haus, Mond), so kommen eher Qualitäten wie weiblich, weich, zärtlich, sanft, lieblich, gefühlvoll, sentimental, dunkel, introvertiert, passiv, leidend, schmerzlich, traurig und wehmütig zum Tragen. Sie entspricht in der Dualität der beiden Tongeschlechter im Gegensatz zur großen Terz als dem männlichen Part eher dem weiblichen Pol. Genauso wie bei der großen Terz geht es auch bei der kleinen Terz um die Entfaltung der Seelenkräfte und des Gemüts, tief erlebte Gefühle und die Welt der Empfindungen, oft gepaart mit einer übergroßen Sensibilität.
Die kleine Terz kann auch kombiniert in ihrer Mond- und Saturnsignatur ein Ausdruck schmerzhafter Trauer sein, wie es z.B. in der Mundharmonika-Melodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“ mit der Tonreihe e – eb – c – e – eb – c zum Ausdruck kommt. Auch findet man eine Kombination kleiner Terzen und großer Sexten als Ausdruck von Trauer in Musikstücken, was einem Wechsel von Mond- und Saturn-Sprüngen entspräche, wenn man es nach der Häuserteilung des Zwölferkreises betrachtet.
Für die kleine Terz typische Liedanfänge
Aufwärts:
Ein Vogel wollte Hochzeit machen
Alas my love (Greensleeves)
Guten Abend, gut Nacht (Terz zwischen 2. und 3. Ton)
Macht hoch die Tür
Smoke on the water Riff
Abwärts:
Der Kuckuck und der Esel
Hey Jude
Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald
Hänschen klein, ging allein
Ring around the rosie
Ruf-Terz, Mutter-Terz, Kinder-Terz
This old man
1Wilfried Krüger: Das Universum singt, S. 137