Astrologie und Da Vincis Homo Vitruvius (Der Mensch nach Vitruv)

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Ein Gespräch im Sonderlesesaal einer großen Universitätsbibliothek



Du betrittst den Sonderlesesaal und fragst die Bibliothekarin nach für dich bereitliegenden Werken. Sie händigt dir ein Faksimile des berühmten Homo vitruvius, oder auch bekannt als Proportionsfigur des Leonardo da Vinci aus. Leider, leider ist das Ganze aber in Renaissance-Italienisch geschrieben und dazu auch noch spiegelverkehrt. Aber da du für Paläographie mit deinem Merkur-Neptun-Trigon schon immer ein Händchen hattest, gelingt es dir schließlich zumindest den Text zu entziffern:


Vetruvio architecto mette nella sua opera d´archictectura, che le misure dell´omo sono dalla natura distribuite in questo modo cioè che 4 diti fa(nno) uno palmo e 4 palmi fa(nno) uno piè , 6 palmi fa(nno) un cubito 4 cubiti fa(nno) uno uomo e 4 cubiti fa(nno) uno passo e 24 palmi fa(nno) uno uomo e queste misure son ne´sua edifiti; Se tu apri ta(n)to le ga(m)be che tu cali da capo 1/14 di tua altezza e apri e alzi tanto le braccia che colle lunghe dita tu tochi la linia della som(m)ità del capo, sappi che ´l cie(n)tro delle stremità delle aperte me(m)bra fia il bellico e lo spatio che si truova infra le ga(m)be, fia tria(n)golo equilatero.


Tanto apre l´omo nelle braccia qua(n)to è la sua altezza.


Dal nascimento de´capegli al fine di sotto del mento è il decimo dell´altezza del uomo; dal di sotto del mento alla som(m)ità del capo è l´octavo dell´altezza dell´omo: dal di sopra del petto alla som(m)ità del capo fia il sexto dell´omo; dal di sopra del petto al nascime(n)to de´capegli fia la settima parte di tutto l´omo; dalle tette al di sopra del capo fia la al quarta parte dell´omo: la maggiore larghezza delle spalle contiene in sé la quarta parte dell´omo, dal gomito alla punta della mano fia la quarta parte dell´omo: da esso gomito al termine della spalla fia la octava parte d´esso omo: tutta la mano fia la decima parte dell´omo: il menbro virile nascie nel mezzo dell´omo; il piè fia la settima parte dell´omo; dal di sotto del piè al di sotto del ginochio fia la quarta parte dell´omo; dal di sotto del ginochio al nascime(n)to del membro fia la quarta parte dell´omo: le parti che si truovano infra il me(n)to e ´l naso e ´l nascime(n)to de´capegli e quel de´cigli ciascuno spatio per sé è simile all´orechio ed è ´l terzo del uolto.


Die Proportionsfigur des Leonardo da Vinci liegt im Originalfaksimile vor dir. Lesen wäre allerdings zu viel gesagt, oder bist du des Renaissance-Italienischen kundig ? Du sitzt eine Zeitlang ratlos vor der Zeichnung, als du plötzlich von hinten eine Stimme hörst:

"Una opera multo interessante e excellente, veramente?"

"Äh, wie meinen?" verstört blickst du dich um und erkennst wie ein altertümlich aussehender Fremder auf dich zutritt..

"Ah, ich dachte, Sie seien des Italienischen kundig, oder nicht? Sicher hätten Sie sonst nicht Einsicht in dieses Werk begehrt, oder?"

"Tja, ich schaue mir eigentlich mehr die Zeichnung an, als daß ich den Text lesen könnte."

Der Fremde sagt: "Vielleicht kann ich ein wenig helfen ?"

"Ja gerne, bitte schön."

"Nun, der erste Abschnitt lautet: Vitruvius der Architekt sagt in seinem Werk über die Architektur, daß die Maße des Menschen in der folgenden Weise ausgelegt seien: Es bilden nämlich 4 Finger eine Handbreite, 4 Handbreiten einen Fuß und 6 Handbreiten eine Elle (cubito). Vier Ellen (cubiti) ergeben einen Klafter/Doppelschritt (passo) und 24 Handbreiten die Länge eines Mannes; und diese Maßverhältnisse finden sich in seinen Gebäuden."

"Ja, tatsächlich, man sieht es sehr deutlich: Am unteren Rand des Quadrats finden sich die Einteilung von Finger, Handbreit und Elle." sagst du.

"Schon." antwortet dir der Fremde, "aber Ihr erkennt gewiß auch den größeren Rahmen, den diese Betrachtungen betreffen, oder?"

"Größeren Rahmen?" fragst du.

"Nun, es ist unschwer zu erkennen, daß die 4 und 6 sowohl chronologische wie astrologische Zeitmaße sind. Die Vier im allgemeinen hat die Symbolik der vollkommenen Welt, des Maßes im allgemeinen und des Zeitmaßes im Speziellen. Wir kennen vier Jahreszeiten und vier Tageszeiten. Die Stunde unterteilt man bei der mündlichen Angabe der Uhrzeit in vier Viertelstunden und nicht etwa in 3 mal 20 Minuten. 6 Stunden sind eine Tageszeit und 24 Stunden ein Tag, ebenso wie 4 Finger eine Handbreite ergeben, 6 Handbreiten eine Elle und 24 oder 4 x 6 Handbreiten der Höhe des Menschen entsprechen. Außerdem sind 4 Ellen ein Doppelschritt oder anders ein Tag ergibt sich aus einem Sonnentag und einer Mondennacht bzw. vier Tageszeiten zu je 6 Stunden. Desgleichen kennen wir das geometrische Modell des Würfels, der 6 x 4 Quadrate aufweist und in besonderer Weise ein Symbol für die irdische Welt und ihre Funktionen darstellt. Fassen wir es doch in einer Tabelle zusammen:" - er setzt sich neben dich, kramt einen Zettel und einen Stift heraus und fertigt die folgende Tabelle an:


Vitruvsche Figur

Zeiteinteilung

4 Finger = 1 Handbreite

4 Viertelstunden = 1 Stunde

4 Handbreiten = 1 Fuß


6 Handbreiten = 1 Elle

6 Stunden = 1 Tageszeit (morgens, mittags, abends, nachts)

4 Ellen = 1 Doppelschritt oder Klafter

4 Tageszeiten = 1 Tag

24 Handbreiten =
6 Fuß =
4 Ellen =
1 x Länge eines Manns
oder 1 Doppelschritt/Klafter

24 Stunden =

4 Tageszeiten =
1 Tag
oder 1 Tageszeit und eine Nacht


"Äh, tatsächlich, stimmt."

"Weiter heißt es in dem Text: Wenn du die Beine so weit spreizt, daß sich deine Größe, gemessen vom Kopf, um 1/14 vermindert, und wenn du deine Arme soweit öffnest und erhebst, daß du mit den Mittelfingern die Linie auf der Höhe des Scheitels berührst, dann weißt du, daß das Zentrum der äußersten Punkte der ausgestreckten Gliedmaßen der Nabel und daß der Raum, der sich zwischen den Beinen befindet, ein gleichseitiges Dreieck sei.

Nun, was sagt uns das ?"

"Nun, ich denke, er will philosophische Betrachtungen über die regelmäßigen Körper Quadrat, Kreis und Dreieck anstellen."

"Ja, aber was besagen diese Betrachtungen ?"

"Äh..."

Der Fremde, der so aussieht, als ob er mit einer Zeitmaschine aus der Renaissance gekommen ist, fährt fort:
"Nun, ich will es Euch sagen: Alle drei Körper stehen selbstverständlich symbolisch für übergeordnete Prinzipien. Der Kreis steht für das weibliche Prinzip, das Quadrat für das männliche Prinzip. Denn wenn man die Höhe eines Mannes um den 14. Teil vermindert, erhält man die dieser Mannesgröße entsprechende Größe einer Frau. Die Vierzehn birgt aber noch ein anderes Geheimnis in sich, stellt sie doch die 2 x 7 oder 28 : 2 dar, wovon die 7 und die 28 ausgesprochene weibliche Mondzahlen sind, denn der Mond benötigt für die Vereinigung mit der Sonne genau 28 Tage an Umlauf, oder jeweils 7 für ein Viertel. Das Weibliche des Kreises drückt sich weiterhin dadurch aus, daß der Mittelpunkt des Kreises sich im Bauchnabel befindet, dem Punkte, an dem wir alle unseren Ursprung in der Abnabelung vom mütterlichen Prinzip nehmen. Bei der Frau befindet sich an dieser Stelle des Körpers ihr ureigentlichstes Potential: Leben in die Welt zu bringen."

Du versuchst nun endlich auch mal etwas Inhaltliches zum Gespräch beizutragen und wirfst ein wenig schwach ein: "Ah, ich sehe, die Natur ist nach Maß und Zahl geordnet und hat wohl erkannt, daß der Mann größer ist als die Frau - in welcher Hinsicht auch immer !?"

"Nun, oberflächlich betrachtet schon" lächelte der Fremde verschmitzt. Betrachtet man aber nicht die Höhe des stehenden und gestreckten Menschen - welche zudem unmittelbar die Assoziation eines kopulierenden Paars beim Geschlechtsakte wachrufen - sondern den Flächeninhalt der von ihnen ausgebildeten Körper, so stellt man fest, daß die Frau genau um ein 1/16 größeren Flächeninhalt im Kreis aufweist als der Mann im Quadrat. Mit anderen Worten: Sind Männer auch der Höhe in der ersten Dimension nach größer, d.h. sind sie stärker im Umgang mit der Materie als Frauen, so weisen Frauen in der zweiten Dimension einen größeren Inhalt auf, d.h. sie sind gefühlsstärker als Männer. Die Mitte des Quadrats befindet sich am Ansatz des Geschlechtsorgans.....

(Der vollständige Text des Gesprächs und die komplette Übersetzung und Erläuterung der Geheimnisse der Proportionsfigur kann im Buch nachgelesen werden...)